Magnus, welche Herausforderungen siehst du bei Deiner täglichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen?
Die größte ist Beziehungsarbeit. Du musst eine Beziehung zu den Kindern und Jugendlichen aufbauen, damit sie mit dir auch ihre Probleme teilen. Nur so kann ich ihre Stärken und Interessen erkennen. Erst dann kann ich sie auch dahingehend unterstützen und fördern. Die meisten gehen ziellos durch das Leben und empfinden Erwachsene und Schule als nervig. Dann kommen sie zu uns, und wir sollen es besser machen.
Was ist Deiner Meinung nach wichtig an der Arbeit in Jugendklubs und warum sind sie gesellschaftlich relevant?
Jugendliche suchen uns nicht ohne Grund auf. Manche können oder wollen nicht Zuhause sein. Wenn es uns nicht gäbe, wäre die einzige Alternative die Straße. Und wenn sie da nicht hinwollen oder eine Pause davon brauchen, sind sie bei uns. Wir sind eine Art Auffangort, für Jugendliche, die keinen Mist bauen wollen.
Ihr betreibt also Prävention?
Auf jeden Fall. Wir können aufzeigen, welche Konsequenzen bestimmte Handlungen nach sich ziehen und leider auch die Zukunft verbauen können. Ich habe oft das Gefühl, vielen erstmal zeigen zu müssen, dass das Leben wirklich lebenswert ist.
Woher kommt diese Einstellung?
Die meisten kommen nicht aus den reichsten Verhältnissen. Manche sehen, was alle anderen haben und wünschen sich das dann auch für sich. Der Bildungsstand ist aber manchmal nicht so hoch, dass sie das selbst mit ihrem Wissen erreichen können. Oft scheint dann Beschaffungskriminalität als einzige Möglichkeit. Viele Kinder- und Jugendliche, die Probleme haben flüchten sich in Drogen. Und wie kommen sie an die? Durch Beschaffungskriminalität.
Bist Du damit öfter in deiner täglichen Arbeit konfrontiert und wie könnt Ihr helfen?
Wir haben jeden Tag Jugendliche bei uns, die Drogen konsumieren. Das sind oft 14 bis 20-Jährige. Wir sind oft eine erste Station, die versucht aufzuklären, bevor sie richtig abhängig sind. Wir setzen an, bevor sich eine Sucht entwickelt und sie in ein Loch fallen. Wir können ihnen zeigen, dass sie vieles erreichen können und sich nicht in Drogen flüchten müssen. Natürlich kann ich nicht garantieren, dass wir immer erfolgreich dabei sind. Aber wir können ihr Bewusstsein für Dinge schärfen, über die sie vielleicht gar nicht mit ihren Eltern sprechen. Manche Eltern wissen oft nichts davon oder haben keinen Ansatz, wie sie in dieser Situation mit ihren Kindern arbeiten können. Und das fangen wir auf. Wir wollen, dass sie wissen, dass es jemanden gibt, an dem sie sich orientieren, dem sie ihre Probleme, Sorgen und Ängste anvertrauen können.
Gibt es Deiner Meinung nach in Berlin ausreichend Einrichtungen, die das leisten?
Nein, leider nicht. Ich habe beispielsweise von anderen Jugendklubs gehört, dass sie Jugendliche, die unter Drogeneinfluss stehen, wegschicken. Für sie steht die Tür dann nicht offen. Ich setze mich sehr dafür ein, dass wir das in der TUBE nicht so machen. Wir müssen trotzdem versuchen, eine Beziehung aufzubauen und verstehen, warum sie Drogen nehmen. Erst dann kann man langsam anfangen, dem entgegenzuwirken. Ich kann nicht davon ausgehen, dass ein Jugendlicher damit aufhört Drogen zu nehmen, nur weil er gern in den Jugendklub möchte, ohne eine Beziehung aufgebaut zu haben. Genau für sie gibt es zu wenige Institutionen und da passiert zu wenig.
Was heißt das?
Wir brauchen mehr Suchtberater*innen und Fortbildungen für Mitarbeiter*innen. Wir brauchen quasi mehr Geld, um auch Mitarbeiter*innen bezahlen zu können. Dadurch wäre es einfacher möglich, in eine ?Ein-zu-eins?-Betreuung zu gehen. Erst wenn wir eine Beziehung aufgebaut haben, können wir ein Beratungsangebot machen. Das können wir aber nicht leisten, weil ich meine Kolleg*innen nicht allein lassen kann, wenn sie grad 20 oder mehr Kinder und Jugendliche im freien Bereich begleiten. Ich kann also gar nicht so intensiv mit einzelnen arbeiten, weil es einfach nicht möglich ist. Meistens bleiben dafür nur zehn Minuten.
An welcher Stelle kann angesetzt werden, um diese Situation zu verbessern? Kann die SozDia da noch mehr machen?
Ich denke die SozDia macht da schon so viel, wie geht. Ich habe immer das Gefühl der Berliner Senat hat eine bestimmte Vorstellung davon, was wir in Jugend- und Freizeiteinrichtungen machen sollen, versteht aber nicht, was wir wirklich machen. Es wird sich oft eine Messbarkeit der Ergebnisse von Angeboten gewünscht. Man sieht aber selten, ob ein Angebot bei einem Jugendlichen etwas erreicht hat.
Inwiefern?
Manche kommen erst drei Wochen später auf dich zu und sagen, wie cool sie da etwas fanden. Da sehe ich unsere Wirksamkeit. Wir müssen uns an der Lebenswelt der Jugendlichen orientieren und nicht daran, was sich der Senat wünscht, was wir aus Jugendlichen machen sollten. Wir arbeiten viel niedrigschwelliger als es die Angebotsstrukturen vorsehen. Jugendliche sind darüber hinaus auch sehr sprunghaft in ihren Interessen. Wenn ich etwas mitbekomme, kann ich da ansetzen und darauf eingehen. Wenn sie es verstehen, ist das gut. Wenn sie es umsetzen ist es noch viel besser. Es sollte einfach mehr Jugendklubs geben.